Der Werdegang von Miriam Schluep in der von Männern dominierten IT-Branche war eine Herausforderung. Doch die Ingenieurin FH in Web- & Businessapplication hat es bis an die Spitze geschafft und führt nun ihr eigenes Unternehmen in Bern. Sie setzt sich für mehr weibliche ICT-Fachkräfte ein. Dafür bedürfe es aber eine grundlegende Veränderung in den Köpfen und der Branche.
«Informatik ist männlich», stellt Miriam Schluep fest. Sie muss es wissen, denn sie gehört zu den zehn Prozent der Frauen, die in der IT-Branche arbeiten. Als Inhaberin und Geschäftsführerin der fox data gmbh, hat sie es geschafft, sich als Frau an der Spitze eines IT-Unternehmens zu behaupten. «Es war ein langer Weg», erinnert sie sich. Viel Mut Geduld und Durchhaltevermögen, engagierter Einsatz sowie eine grosse Portion verhaltener Optimismus seien die Voraussetzungen für eine Karriere in einem Berufsfeld, dass nach wie vor von Männern dominiert wird. «Ich musste mir eine dicke Haut und taube Ohren für dumme Männersprüche zulegen», so Schluep. Beispielsweise sei sie bei ihrem ersten Job nach der Lehre von ihrem Vorgesetzten gefragt worden, wieso sie angestellt worden sei, denn Frauen könnten nicht programmieren. «Mittlerweile habe ich gelernt, mich durchzusetzen und auch mal zu insistieren, um mein Ziel zu erreichen. Ohne Haare auf den Zähnen geht es nicht», lacht Schluep.
Die junge Unternehmerin ist eine starke Persönlichkeit, die weiss was sie will und sich nicht von ihrem Ziel abbringen lässt, bis sie es erreicht hat. Sie ist durch Zufall und auf dem zweiten Bildungsweg in der IT-Branche gelandet. Nachdem sie sich als Servicefachangestellte ausbilden liess, orientierte sie sich mangelnder Perspektiven und Herausforderungen beruflich neu. Sie begann eine vierjährige Informatiklehre. «Eine Kollegin machte mich auf diese Ausbildungsmöglichkeit aufmerksam. Ich hatte bis dahin eigentlich nicht viel am Hut mit Mathematik, aber grosses Interesse an Technik», so Schluep. «Als ich das Basislehrjahr absolvierte, nahm es mir aber den Ärmel rein. Das klar strukturierte und logische Denken gefiel mir.» Informatik sei sehr vielseitig und spannend. «Man muss aufmerksam und innovativ sein und es gibt immer wieder neue Möglichkeit und Lösungswege», erklärt Schluep. Danach studierte sie berufsbegleitend viereinhalb Jahre an der Fachhochschule BFH Bern und Biel, wo sie sich zur Ingenieurin FH in Web- & Businessapplication ausbilden liess. Dort lernte sie auch ihren Mann Frédéric Grossmann kennen.
Verantwortung für Kinder teilen
Sie gründete 2015 zusammen mit ihrem Mann sowie Jonas Däppen, Geschäftsführer der smart dynamic ag, ihre eigene Firma – die fox data gmbh. Nach einigen Jahren bei den Kindern und einem Teilpensum als Berufsschullehrerin an der GIBB Bern, zog es die Powerfrau wieder zurück in den Beruf. «Ich wollte immer voll im Beruf arbeiten, mitgestalten und im Arbeitsprozess eine sinnvolle Aufgabe erfüllen», so Schluep. Deshalb hat sie bereits vor der Geburt ihrer beiden Kindern mit ihrem Mann eine Abmachung getroffen: «Ich war in den ersten Jahren hauptsächlich für die Kinder verantwortlich bis ich wieder voll in den Beruf einstieg. Jetzt kümmert sich mein Mann mehrheitlich um Sohn und Tochter.» Der Deal funktioniert, «doch es steckt Hartnäckigkeit meinerseits sowie ein gleichberechtigtes Rollenverständnis dahinter», erklärt Schluep.
Seit vier Jahren ist sie nun wieder zurück in der Wirtschaft und an der GIBB für die IT-Fachkräfte der Zukunft. Zusammen mit ihrem vierköpfigen Team programmiert und installiert sie ERP-Systeme für KMU. «Wir beraten unsere Kunden bei der Definition oder Optimierung ihrer Geschäftsprozesse und kreieren massgeschneiderte Lösungen», konkretisiert Schluep. Diese Arbeit sei sehr vielfältig und interessant, so hätte sie Zugang zu den unterschiedlichsten Branchen.
Technik ist immer noch Männersache
Die fox data gmbh ist mit einem Frauenanteil von 40 Prozent in der Branche eine Ausnahmefirma. Leider sei es eine Tatsache, dass sich Frauen in der Schweiz selten für ein Studium in den Fächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik entscheiden, weiss Schluep. Sie stört sich am Geschlechter-Ungleichgewicht in ICT-Berufsfeldern: «Oft werden die technischen Fähigkeiten der Frauen gar nicht zugetraut. Im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen müssen sie sich viel mehr bewiesen – sei es mit starkem Engagement, Ausbildungen und Abschlüssen.» Frauen würden weniger ernst genommen. «Unser Selbstwertgefühl gerät darum viel schneller ins Wanken. Wir trauen uns viel weniger zu als die Männer», spekuliert Schluep. «Da müssen wir uns auch selbst an der Nase nehmen und mit mehr Mut und Selbstvertrauen an die Sache rangehen.» Dafür bedürfe es aber Vorbilder im Beruf. «Leider gibt es zu wenig starke Frauen in der Branche, die dies den jungen Mädchen vorleben und sie für einen ICT-Beruf motivieren.» Zu stark sei auch die Gegenströmung in der Gesellschaft. «Noch immer ist in den Köpfen verankert, dass Technik Männersache ist», sagt Schluep.
Schluep befürwortet gemischte Teams. «Da kann jede und jeder personenbezogen seine Stärken einbringen. Frauen und Männer haben andere Werte, ergänzen sich positiv und liefern sich weniger Machtkämpfe.» Frauen seien oftmals sehr gut ausgebildet, «doch nach der Mutterschaft ziehen sie sich leider zu oft aus dem Beruf zurück oder wechseln die Branche», beobachtet Schluep. Frauen würden oft im Hintergrund arbeiten, weniger öffentlichkeitswirksame Arbeit erledigen und verzichteten als Entscheidungsträgerin gegen aussen aufzutreten. «Damit müssen wir aufhören. Wir müssen lernen, uns hinzustellen und unsere Leistungen öffentlich sichtbar zu machen. Ebenso wichtig ist es, ein solides Netzwerk zu bilden und es auch zu nutzen», appelliert Schluep an die (KMU) Frauen. Sie wünscht sich, dass ihre Tochter und ihr Sohn gleiche Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben werden. «Dies bedingt, dass veraltete Rollenbilder endlich abgeschafft werden und unsere Gesellschaft und Politik Rahmenbedingungen schafft, die beiden Geschlechtern erlauben, Job und Familien unter einen Hut zu bringen.» Auf die IT-Branche bezogen, hofft sie, dass die Frauenquote allmählich steigen wird, «doch es ist noch ein weiter Weg.» Mehr gemischte Teams werden sich für alle Beteiligten lohnen.
Corinne Remund